150 Jahre Kirche in Favoriten

© Gouache, 1992

Ein Bezirk feiert Geburtstag

Und aus diesem Grund haben sich Pfarrmitglieder auf die Suche gemacht, wo Gott in ihrem Bezirk wohnt, wo Liebe spürbar wird, wo die Sorgen und Ängste der Menschen wahrgenommen wurden?

Sie haben versucht in den Chroniken und Erinnerungen zu schauen, wo Gott spürbar war und ist in Favoriten.

Aufgeteilt auf die Grunddienste Gemeinschaft, Caritas, Liturgie und Verkündigung haben die Pfarren nachgespürt, was vor Ort besonders erfahrbar war. Das heißt nicht, dass Liturgie, Gottesdienst nur an einem Ort gefeiert wird, und natürlich auch nicht, dass Gemeinschaft nicht überall spürbar wäre. Aber vier Seiten sind schnell gefüllt. Vielleicht bekommen Sie Lust noch weiter nachzuforschen – in den Chronikbüchern Ihrer Pfarre, in den Erzählungen von Menschen, die schon lange da sind,...

© Archiv Pfarre Göttliche Barmherzigkeit

Thema: Liturgie

Als durch Heinrich Drasches großräumig ausgebaute Ziegelfabrik Favoriten immer weiter wuchs, nicht nur zu einem der wichtigsten Industriebezirke Wiens, sondern auch zu einem überaus dicht besiedelten Arbeiterbezirk, der vor allem von Tschechen bewohnt war, stellte das auch die Kirche vor neue Herausforderungen. Als die einzige in Favoriten bestehende Pfarre „St. Johann Evangelist“ gegen 1890 über 100.000 Mitglieder zählte, war zur Aufrechterhaltung einer „geordneten und ersprießlichen Seelsorge“ der Bau einer neuen Pfarrkirche dringend notwendig geworden.

Der „Liturgie“, der Gestaltung der Gottesdienste kam und kommt auch heute noch große Bedeutung zu. Auf der einen Seite sollte das traditionelle Liedgut und die in Wien einen besonderen Stellenwert einnehmende Feier des „Hochamts“ mit klassischer aber auch moderner Musik gepflegt werden. Auf der anderen Seite ist es aber auch erforderlich Musikstile zu pflegen, die vor allem die jungen Menschen ansprechen. Die in den 60-er und 70-er Jahren gefeierten sogenannten „Jazzmessen“ konnten einen unerwartet hohen Besuch junger Menschen verzeichnen. Kaum jemand von uns, der nicht mit dem Lied „Danke für diesen guten Morgen“ aufgewachsen ist. Die Kirche in Favoriten und die in den Pfarren tätigen Kirchenchöre leisteten und leisten einen wichtigen kulturellen Beitrag für den 10. Bezirk. Nicht nur klassische Kirchenmusik wird gepflegt, sondern auch weltliche Chormusik. Ein schönes Beispiel sind hierfür die von 1983 bis 2019 veranstalteten Singfeste der Favoritner Kirchenchöre. Weithin sichtbar und hörbar ist die Fronleichnamsprozession, die jetzt gemeinsam mit den Gemeinden der Pfarre Göttliche Barmherzigkeit gefeiert wird.

Nicht vergessen dürfen wir die wichtige Rolle, die die Kirche in der Zwischenkriegszeit, aber auch nach dem 2. Weltkrieg für Kinder und Jugendliche gespielt hat: Oft waren die Pfarren die einzige Möglichkeit, wo man Gemeinschaft mit Gleichaltrigen pflegen konnte und die Möglichkeit zu sportlicher Betätigung hatte. Im Miteinander-Feiern finden sich die Katholik:innen des Viertels, teilen miteinander Wort und Brot und schöpfen daraus Kraft, mit all denen, die guten Willens sind, weiter mitzugestalten an einem lebenswerten Favoriten.

(Pfarre Göttliche Barmherzigkeit aus den Teilgemeinden Königin des Friedens, St. Anton von Padua, St. Katharina und Dreimal wunderbare Muttergottes.)

Kardinal Schönborn zu Besuch

© Archiv der Pfarre St. Paul
Kardinal Schönborn zu Besuch

Thema: Verkündigung, Bildung

Die Verkündigung des Wortes Gottes und die handelnde Nächstenliebe sind ein wichtiger Beitrag zur Lebensgestaltung aller Menschen in unserem Bezirk.

Eine besondere Prägung erhält das kirchliche Leben in Favoriten durch die unterschiedlichen Ordensgemeinschaften, die hier tätig sind. So leiten die Pallottiner, die Salvatorianer und auch die Steyler Missionare je eine Pfarre. Bildung, Chancengleichheit, soziale Stabilität fördern – Möglichkeiten geben, Freizeit miteinander zu gestalten, aber auch sich miteinander auf Wegen des Glaubens zu treffen – das hat die katholische Kirche als eine ihrer Aufgaben erkannt und gefördert. Kindergärten, Schulen, Pfadfindergruppen und Sommerlager haben tausende Kinder betreut und gebildet. Ein Lächeln der Erinnerung geht über viele Gesichter, wenn Menschen an gemeinsame Stunden am Lagerfeuer, Gitarrenklänge und Lieder denken. Und immer noch freuen sich die Kinder auf Jungscharlager, Camps, Firmwochenenden. Das Lagerfeuer hat nichts von seiner Faszination eingebüßt.

Frauengemeinschaften übernahmen soziale Dienste in FavoritenIm Kaiser Franz-Josef-Spital (heute Klinik Favoriten) wirkten über 150 Schwestern der Kongregation der Dienerinnen des Heiligsten Herzens Jesu als Krankenschwestern. Bald wurden sie bei der Pflege durch die Barmherzigen Schwestern vom Heiligen Kreuz unterstützt. Die Armen Schulschwestern engagierten sich lange Zeit im Bereich der Kinderbetreuung und führten den Kindergarten in Oberlaa. Und bis heute findet man am Antonsplatz die Kleinen Schwestern von Jesu.

Ein besonderer Besuch im Einkaufszentrum: Zum dreißigsten Jahrestag der Pfarre St. Paul wollte auch Kardinal Christoph Schönborn „vorbeischauen“! Weil sein Wunsch alle Menschen in der PerAlbin-Hansson-Siedlung zu besuchen nicht durchführbar schien, wurde mitten im Einkaufszentrum gefeiert. Höhepunkt war natürlich die längste Kardinalsschnitte, die im Beisein des Herrn Kardinals fröhlich verspeist wurde!

(Pfarren St. Paul, Laaer Berg, Oberlaa)

 

Maibaumfest 1994

© Archiv der TG Franz von Sales
Maibaumfest 1994

Thema: Gemeinschaft, Koinonia

Pfarre Christus am Wienerberg: Eine Pfarre neu mit Teilgemeinden - Orte der Begegnung, der Begegnung mit Gott und den Menschen, in gut gestalteten Gottesdiensten in vielen Gruppen, wo die Menschen Freunde fürs Leben finden bei verschiedenen Veranstaltungen.

Seit Beginn des 20. Jahrhunderts kümmerten sich die Patres der Salvatorianer um die Straßenkinder der böhmischen Ziegelarbeiter. Vielfältig war das Angebot, das gesetzt wurde, um möglichst vielen den Zugang zu erleichtern und überhaupt möglich zu machen. So gab es im „Salvatorianerkino“ die ersten Filme für die Kinder des 10. Bezirks zu sehen. Viele erinnern sich daran mit einem Lächeln – im Pfarrsaal miteinander das zu tun, was sich heimlich jede:r ersehnte – und die Kinder von heute verwundern sich, streamen sie doch das, was sie sehen möchten. Die Schauspieler:innen unter den Erwachsenen spielten im großen Saal – und brachten die Kultur zu den Menschen.

In den 1960er Jahren begann die Kinderpastoral aufzublühen: regelmäßige Gruppenstunden, ein Kinderchor, Faschingsfeste brachten Kinder und Kirche zusammen. Und als aus den Kindern Jugendliche geworden waren – da blieben sie an dem Ort, der ihnen vertraut war und sie belebten den Jugendkeller: Die legendären „Michelfeit“-Parties wurden gefeiert. (Neben der Apostelkirche war das Möbelhaus Michelfeit – und damit alle hinfanden war es die Kirche beim Michelfeit – kein Heiliger, wie man vermuten könnte.)

Die Teilgemeinden Franz von Sales – Treffpunkt für die Menschen in der Hansson-Siedlung West, bietet Heimat den Pfadfindern und ist ein Ruheplatz, wenn man den Stadtwanderweg 7 geht. Eine ganz andere Möglichkeit der Begegnung sind auch die Flohmärkte. Eine lange Tradition von Festen und Feiern prägt diese Pfarre. Erst in den unterschiedlichen Gemeinden findet man sich jetzt auch zusammen zum Feiern. Bis vor ein paar Jahren gab es hier auch mitten in der Stadt die Tradition des Maibaumaufstellens und natürlich auch ein Fest beim wieder Umsägen.

(Pfarre Christus am Wienerberg)

Weihnachtsfeier 2019

© Archiv der Pfarre zum Göttlichen Wort
Weihnachtsfeier 2019

Thema. Caritas

Caritas – Liebe im weitesten Sinn verstanden, ist ein weiterer Grundauftrag der Kirche. In der Chronik der Pfarre St. Johann finden sich dann auch schon seit Beginn immer wieder die Berichte über Hilfsaktionen, über Verantwortliche für die Verteilung von Lebensmitteln. Die Zusammenarbeit von Stadt und Kirche war schon damals gegeben. Der Leiter des Fürsorgeamtes in der Zwischenkriegszeit war ein aktives Mitglied des Katholischen Männervereins.

Konkrete Hilfe im Jahr 1933:

Im Jahr 1933 hatten teils mündlich, teils schriftlich 1481 Personen beim pfarramtlichen Fürsorgeausschuss um eine Unterstützung angesucht. Durch die in jedem Fall persönlich vorgenommene Erhebung konnten folgende Unterstützungen gewährt werden.
Bargeld:
677 Familien
227 Einzelpersonen


An Naturalunterstützungen wurden ausgegeben:
70 Familienlebensmittelpakete
298 l Milch
663 Laibe Brot
137 Stritzel Brot
35 Paar Schuhe
...

Und heute:
Der Keplerplatz ist nun ja nicht gerade der Ort, der die positiven Schlagzeilen befüllt. Die Nöte der Menschen sind so sichtbar, dass man manchmal ausweichen möchte. Menschen, die sich wirklich das „tägliche Brot“ buchstäblich nicht mehr leisten können, klopfen nicht nur an die Pfarrhaustüren. LeO ein Projekt der großen Caritas ist in unserem Pfarrgebiet untergebracht und bietet Lebensmittel aber auch Beratung an und aus der Pfarre arbeiten Freiwillige bei der Ausgabe mit.

Not, die nicht Halt macht vor Menschen anderer  Religionen lassen die Gruppe des interreligiösen Dialogs nach Lösungen suchen.

Und doch auch: Ein Bericht, der die Liebe zeigt – Weihnachtsfeier für Menschen ohne Zuhause: Fast hat es sich so angefühlt, als am Freitagabend, kurz vor Weihnachten 50 obdachlose Menschen zur Vorweihnachtsfeier ins Pfarrhaus am Keplerplatz kamen. Der Pfarrsaal war zu einem Weihnachtszimmer verwandelt, strahlte Wärme und Hoffnung aus. Das spürten auch die vielen Menschen, die gekommen waren, um miteinander sich der Botschaft zu erinnern: Gott ist geboren, in einem kleinen Menschenkind kommt, zu suchen, zu retten, zu heilen, zu trösten.

(Pfarre Zum Göttlichen Wort: Gemeinden St. Johann der Evangelist, Zur Heiligen Familie, Zur Allerheiligsten Dreifaltigkeit.)

cu/cu